Zynismus beim OLG Brandenburg

Der 12. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgericht hat eine Begründung für die Mithaftung eines Motorradfahrers an einem Unfall geliefert, da stellen sich mir die Zehennägel auf.

Der Tenor des Beschlusses vom 17.07.2009 (OLG Brandenburg, 12 W 5/08) hört sich noch akzeptabel an:

Kollidiert ein links abbiegender Autofahrer mit einem entgegenkommenden Motorradfahrer, von dem er bei Einleitung des Abbiegevorgangs wegen Sichtbehinderung durch eine Brückenkuppe allenfalls den Kopf wahrnehmen konnte, kommt eine Mithaftung des Motorradfahrers in Höhe von 20 % in Betracht.

Die Begründung hat es allerdings in sich:

Im Ergebnis der Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensbeiträge folgt der Senat der vom Landgericht vorgenommenen Quotierung von 80 % zu 20 % zu Lasten der Beklagten. Zwar haftet bei Kollisionen mit dem geradeaus fahrenden Gegenverkehr der Linksabbieger grundsätzlich allein (BGH NZV 2005, S. 249; KG DAR 1994, S. 153; Hentschel/König/ Dauer, a. a. O., § 9 StVO, Rn. 55, so auch der Senat im Urteil vom 23.10.2008, Az. 12 U 45/08, zitiert nach juris). Eine alleinige Haftung der Beklagten erscheint aufgrund der Besonderheiten des vorliegenden Falles indes nicht gerechtfertigt. Der Vorfahrtsverstoß der Beklagten zu 1. ist nämlich als relativ gering zu gewichten. So ist nach den Feststellungen des Sachverständigen die Einleitung des Abbiegemanövers durch die Beklagte zu 1. nicht zu beanstanden, wenn sie nicht einmal den Kopf des Klägers wahrnehmen konnte, was der Sachverständige nicht ausgeschlossen hat. Selbst wenn die Beklagte den Helm des Klägers bereits sehen konnte, so ist doch zu beachten, dass die relativ geringe wahrnehmbare Fläche des sich nähernden Fahrzeuges den Vorfahrtsverstoß der Beklagten zu 1. relativiert. Auch das Unterlassen des Abbrechens des zunächst fehlerfrei begonnenen Abbiegevorganges bei Einleitung des Anfahrvorganges wiegt nicht so schwer wie die Vorfahrtsverletzung eines Linksabbiegers gegenüber einem ohne weiteres wahrnehmbaren Geradeausfahrers. Auf der anderen Seite ist die erhöhte Betriebsgefahr des Motorrades infolge seiner schlechtern Wahrnehmbarkeit im Vergleich zu größeren Kraftfahrzeugen (vgl. hierzu auch OLG Hamm RuS 2002, S. 412) – insbesondere bei der hier zunächst anzunehmenden Verdeckung des Scheinwerfers durch die Brückenkuppe – und die große Instabilität eines Motorrades, die sich im Sturz des Klägers vor der Kollision realisiert hat, zu berücksichtigen. Dies alles rechtfertigt es, den Kläger im Umfang von 20 % an den entstandenen Schäden zu beteiligen bzw. bei der Bemessung des Schmerzensgeldes eine Mithaftung des Klägers von 20 % einzubeziehen.

Ich überlasse den Lesern das Kommentieren …

Vielen Dank an Rechtsanwalt und Moppedfahrer Jürgen Melchior aus Wismar für den Hinweis auf die Entscheidung.

Quelle: http://www.motorradrecht.de