Verkehrsrecht Saarlouis: Haftung bei unbedachtem Öffnen der Fahrertür – 25%-ige Mithaftung des Vorbeifahrenden (Urteilsgründe)

Das Urteil des Amtsgerichts Saarlouis vom 17.03.2011 – AZ: 28 C 609/10 (70) – ist rechtskräftig.

Nachfolgend zitieren wir aus den Urteilsgründen:

„Das Verkehrsunfallgeschehen vom 26.12.2009 in (…) beruht auf einem Alleinverschulden des Fahrers des Pkw’s der Klägerin, demgegenüber im Rahmen der nach § 17 Abs. I und II StVG gebotenen Abwägung der beiderseitigen Verursachungs- und Verschuldensanteile zu Lasten der Beklagten lediglich die einfache Betriebsgefahr in Ansatz zu bringen ist.

Der Zeuge (…) hat die Fahrertür des Pkw’s der Klägerin zumindest 85 cm weit geöffnet und dabei gegen § 14 StVO verstoßen.

Nach dieser Vorschrift muss sich, wer ein- oder aussteigen will, so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Diese Sorgfaltspflicht gilt für die gesamte Dauer des Ein- und Aussteigvorgangs, also für alle Vorgänge, die in einem unmittelbaren, zeitlichen und örtlichen Zusammenhang damit stehen (BGH in NJW 2009 S.37, 91).

Das Verhalten des Zeugen fällt in den Anwendungsbereich dieser Vorschrift, selbst wenn er unter Zugrundelegung seiner Angaben selbst nicht aussteigen wollte und die Tür lediglich öffnete, um die Innenraumbeleuchtung einzuschalten.

Durch das Öffnen der Tür schaffte er ein plötzliches Hindernis für den vorher freien Verkehrsraum, womit sich die in § 14 StVO geregelte besondere Gefahr realisierte (vgl. auch Landgericht Saarbrücken in NJW RR 2009, S. 1250).

Der Zeuge hat beim Öffnen der Fahrertür auch nicht die nötige Sorgfalt gegenüber dem fließenden Verkehr walten lassen. Er räumte selbst ein, sich nur „flüchtig“ über den nachfolgenden Verkehr durch Blick in den Außenspiegel vergewissert zu haben, ohne jedoch, was regelmäßig aufgrund der besonderen Gefährlichkeit des Türöffnens zu fordern ist, sich durch zusätzlichen Schulterblick bezüglich des rückwärtigen Verkehrs zu vergewissern.

Dabei spricht auch bereits der Beweis des ersten Anscheins für eine fahrlässige Sorgfaltspflichtverletzung des Ein- und Aussteigenden (BGH a.a.O. mit weiteren Nachweisen aus Rechtsprechung und Literatur).

Dieser Anscheinsbeweis ist vorliegend auch nicht erschüttert, vielmehr erfolgte der Zusammenstoß, wie auch die Beweisaufnahme ergab, in unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem Öffnen der Fahrertür.

Die Zeugin (…), Kundin in dem von dem Beklagten zu 2) geführten Taxifahrzeug, bekundete, dass die Tür des Pkw’s der Klägerin geöffnet wurde, als sich der Beklagte zu 2) bereits auf Höhe dieses Fahrzeuges befunden habe. Dies sei ruckartig geschehen und nicht etwa langsam oder nur ein kleines Stück.

Die Bekundungen der „neutralen“ Zeugin sind glaubhaft. Ihre Aussagen stimmt mit den Feststellungen des gerichtlichen beauftragten Sachverständigen überein bzw. konnte in keinem Punkt durch dessen Unfallrekonstruktion widerlegt werden.

Demgegenüber konnte den – entgegenstehenden – Bekundungen der klägerseits benannten Zeugen nicht gefolgt werden, da sie allesamt in einem wesentlichen Teil ihrer Aussage, der für die Beurteilung des Rechtsstreites relevant ist, durch das nachfolgende Unfallrekonstruktionsgutachten des Sachverständigen (…) widerlegt wurden.

So gaben die Zeugen (…) übereinstimmend an, dass die Fahrertür des Pkw’s der Klägerin lediglich um 10, allenfalls um 20 cm geöffnet worden sei. Auch die Zeugin (…) spricht lediglich von einer leicht geöffneten Fahrertür. Demgegenüber ist nach den Ausführungen des Sachverständigen ein Überdrehen der linken Tür des klägerischen Fahrzeugs bei einem Öffnungsmaß von 20 cm nicht möglich. Damit es zu einem entsprechenden Überdrehvorgang kommen konnte, müsse diese wenigstens ca. 90 bis 100 cm geöffnet gewesen sein. Der Sachverständige blieb auch bei der mündlichen Erläuterung bei diesen Feststellungen, wonach es seines Erachtens allenfalls denkbar sei, dass die Tür einen Öffnungsabstand von mindestens 85 bis 100 cm hatte.

Sind hierdurch jedoch die klägerseits benannten Zeugen in einem wesentlichen Punkt widerlegt, vermag sich das Gericht auch nicht von der Richtigkeit des weiteren Inhalts der Zeugenaussagen, was die zeitliche Dauer des Türöffnens bis zum Zusammenstoß und das Aussteigeverhalten der Mitinsassen anbelangt, zu überzeugen. Was letzteren Punkt anbelangt, sind auch Widersprüche in den Zeugenaussagen untereinander festzustellen. Die Zeugin (…) hat jedenfalls keine weiteren Personen um das Fahrzeug der Klägerin bemerkt, weshalb es entscheidungserheblich nicht darauf ankommt, ob der Beklagte zu 2) insofern zur besonderen Sorgfalt bzw. zur Einhaltung eines höheren Sicherheitsabstandes verpflichtet gewesen wäre.

Diesen Sicherheitsabstand ermittelte der Sachverständige mit etwa 50-65 cm, wobei im Rahmen der Abwägung nach § 17 StVG zu Lasten der Beklagten nur unstreitige oder erwiesene Tatsachen, mithin ein Abstand von etwa 65 cm zugrundezulegen ist.

Ein solcher Seitenabstand lässt die Feststellung eines Verkehrsverstoßes des Beklagten zu 2) beim Passieren des Fahrzeuges der Klägerin nicht zu.

So ist in der Rechtsprechung ein Sicherheitsabstand von 0,8 bis 0,9 m beim Vorbeifahren an parkenden Fahrzeugen für ausreichend erachtet worden, wobei allerdings keine schematische Betrachtungsweise geboten ist, vielmehr auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen ist. (vgl. Amtsgericht Saarbrücken, Urteil vom 09.02.2006, 37 C 1049/04).

Vorliegend ist zu berücksichtigen, dass der Beklagte zu 2) nach den Bekundungen der Zeugin (…) sehr langsam, vielleicht 25 bis 30 km/h fuhr und offenbar wegen eines sich langsam nach links einordnenden vorausfahrenden Fahrzeugs, relativ eng an dem Fahrzeug der Klägerin vorbeibewegte.

Selbst wenn jedoch dem Beklagten zu 2) insofern ein Schuldvorwurf im Sinne eines nicht ausreichenden Seitenabstandes zu machen wäre, ist zu berücksichtigen, dass den Fahrer des Pkw’s der Klägerin der Sorgfaltspflichten des § 14 StVO trafen, wonach die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer auszuschließen ist, demgegenüber dem Beklagten zu 2) nur einfache Sorgfaltspflichten im Rahmen der Einhaltung des Seitenabstandes trafen. Im Hinblick auf die langsame Fahrweise des Beklagten zu 2) und dem Öffnen der Fahrertür in einem Moment, als dieser sich bereits auf Höhe des Pkw’s der Klägerin befand, erscheint jedenfalls eine Haftungsverteilung von 3:1 zu Lasten der Klägerin geboten.“

Soweit das Amtsgericht Saarlouis.

Rechtsanwalt Klaus Spiegelhalter ist Fachanwalt für Verkehrsrecht in Saarlouis. Rechtsanwalt Spiegelhalter hilft in allen Fragen des Verkehrsrechts insbesondere bei der unbürokratischen Unfallabwicklung (auch per Web-Akte), Bußgeld, Führerscheinproblemen, Punkten in Flensburg usw.

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