Schätzung eines Polizeibeamten

Ein Auszug aus dem Buch „Fehlerquellen bei polizeilichen Messverfahren“ von Wolf-Dieter Beck / Ulrich Löhle / Jost Henning Kärger.
 
Oft wird auch ein Rotlichtverstoß durch eine einfache Schätzung eines Polizeibeamten zur Anzeige gebracht. Hierbei ist zu beachten, dass die Schätzung eines Zeitablaufs im Allgemeinen mit einer hohen Unsicherheit belastet ist.22 Allerdings muss unterschieden werden, ob bei der Schätzung der Verkehrsverstoß nur zufällig beobachtet wurde oder ob ein Polizist zur gezielten Rotlichtüberwachung eingesetzt gewesen war. So kann nach der Rechtsprechung bei einem Rotlichtverstoß für die Feststellung der Rotlichtzeit die Schätzung „21-22“ eines die Lichtzeichenanlage gezielt überwachenden Polizei beamten für eine Verurteilung ausreichen, wenn andere Umstände die Richtigkeit der Schätzung erhärten.23 In einem solchen Fall kann unter Umständen auch ein Fahrverbot verhängt werden, obwohl die Rechtsprechung dies grundsätzlich bei Mitzählen der Sekunden (,,21-22″) wegen der möglichen Ungenauigkeit verneint.24

Kein Fahrverbot kann insbesondere ausgesprochen werden, wenn der qualifizierte Rotlichtverstoß auf einer gefühlsmäßigen Schätzung eines zufällig die Lichtzeichenanlage beobachtenden Polizeibeamten beruht.25 Hierbei muss sich das Amtsgericht auch in seiner Entscheidung wertend mit den Grundlagen und dem Beweiswert der Schätzung des Polizeibeamten auseinandersetzen. Eine Verurteilung wegen eines Rotlichtverstoßes macht grundsätzlich Feststellungen zur Dauer der Gelbphase, zur zulässigen und vom Betroffenen eingehaltenen Geschwindigkeit sowie zu der Frage erforderlich, wie weit das Fahrzeug von der Haltlinie entfernt war, als die Ampel von gelb auf rot wechselte.26 Wenn ein Polizeibeamter einen Rotlichtverstoß mit einer Stoppuhr misst, muss geklärt werden, ob diese geeicht ist; außerdem ist ein erheblicher Toleranzabzug zu tätigen.27

22 OLG Celle NZV 1994, 40; KG Berlin NZV 1995, 240; BayObLG zfs 1995, 433; OLG Hamm
DAR 1996, 415; BayObLG DAR 2001, 37; OLG Düsseldorf DAR 2003, 85; vgl. hierzu auch
König/Seitz DAR 2006, 127; AG Landstuhl VD 2011, 145.
23 OLG Hamm DAR 1997, 77; OLG Düsseldorf DAR 1997, 322; OLG Brandenburg DAR 1999, 512;
OLG Hamm DAR 2008, 35.
24 BayObLG VRS 90, 54; OLG Hamm DAR 1996, 415; vgl. hierzu auch Beck, DAR 1997, 32ff.;
OLG Düsseldorf DAR 1998, 75; OLG Hamm bei Burhoff, DAR 2001, 436, 437; AG Suhl DAR 2005, 169;
OLG Hamm DAR 2008, 35; OLG Hamm DAR 2008, 35; VA 10, 17.
25 OLG Jena zfs 1999, 124; OLG Köln DAR 2005, 50.
26 OLG Jena zfs 1999, 124; OLG Hamburg DAR 2005, 165; OLG Köln DAR 2005, 50; KG DAR 2005, 634.
27 OLG Düsseldorf DAR 2000, 579 und DAR 2003, 234; KG DAR 2004, 711; KG NVZ 2008, 587;
OLG Hamm NVZ 2010, 42.

 
 

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