Problemzonen der privaten Unfallversicherung – Teil II: Der Fristendschungel

Der (Verkehrs-) Unfall bedeutet i.d.R nicht nur Ärger mit der gegnerischen Haftpflichtversicherung und ggf. auch den Strafverfolgungsbehörden. Er ist auch der Versicherungsfall in der privaten Unfallversicherung und damit der “erste Schritt” auf dem – langen – Weg zur Invaliditätsleistung. Auf diesem Weg gilt es allerlei vertragliche Vereinbarungen zu kennen und zu beachten, was häufig  nicht unproblematisch ist.

Eine (weitere) zentrale Problemzone bei der Geltendmachung der Hauptleistungsart in der privaten Unfallversicherung, der Invaliditätsansprüche, ist der Wirrwarr an Zeitpunkten und Fristen:

1. Unverzügliche Hinzuziehung eines Arztes. Hier gilt zwar keine feste Frist, jedoch wird die Konsultation eines Arztes „ohne schuldhaftes Zögern“ erwartet. Insoweit handelt es sich um eine Obliegenheit des Versicherten. Wird diese verletzt, so verliert der Versicherte grundsätzlich den Versicherungsschutz, es sei denn die Obliegenheit wurde weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verletzt, was damit zur Beweislast des Versicherten steht. Die in diesen Zusammenhang oft vorgebrachte 48-Stunden-Frist betrifft nur die Todesfallleistung (und soll dem Versicherer eine Obduktion ermöglichen).
2. Unverzügliche Unterrichtung des Versicherers. Auch insoweit handelt es sich um eine Obliegenheit, die „ohne schuldhaftes Zögern“ zu erfüllen ist. Auch insoweit droht damit der Verlust des Versicherungsschutzes.
3. Eintritt der Invalidität innerhalb eines Jahres. Insoweit wird der maßgebliche Zeitpunkt für die Bemessung des Invaliditätsgrades bestimmt. Die unfallbedingte Verletzung muss also innerhalb dieses Zeitraums den Charakter einer Schädigung erreicht haben. Die Entwicklung innerhalb des ersten Jahres ist damit für die Bemessung nicht von der Relevanz. Die Entwicklung nach diesem Zeitpunkt kann grundsätzlich nur im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens – welches zur Disposition der Beteiligten steht – Berücksichtigung finden.
4. Schriftliche Feststellung der unfallbedingten Invalidität durch einen Arzt innerhalb von 15 Monaten nach dem Unfall. Insoweit handelt es sich nach ganz einhelliger Rechtsprechung um eine Anspruchsvoraussetzung, deren Fehlen nicht entschuldigt werden kann. Es kommt damit auch nicht darauf an, warum diese Feststellung nicht fristgerecht erfolgt ist. Nur in wenigen Ausnahmefällen lässt die Rechtsprechung unter Berücksichtigung von Treu und Glauben wegen einer besonderen Härte Ausnahmen zu.
5. Geltendmachung der Invalidität beim Versicherer innerhalb von 15 Monaten nach dem Unfall. Insoweit handelt es sich um eine Ausschlussfrist, die entschuldigt werden kann. Voraussetzung für eine derartige Entschuldigung ist aber, dass der Versicherte unverzüglich die Invalidität geltend macht, sobald der Entschuldigungsgrund entfällt.

Insoweit handelt es sich (nur) um die „üblichen“ formalvertraglichen Voraussetzungen. Der Versicherte muss überdies die unfallbedingte Funktionsbeeinträchtigung beweisen etc.. „Aber dies ist eine andere Geschichte, die ein andermal erzählt wird.“

 

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Michael Schmidl, anwaltschmidl.de

Der Autor ist Rechtsanwalt und Gründer der Fachanwaltskanzlei für Versicherungs- und Verkehrsrecht Schmidl. Er ist seit 2005 Fachanwalt für Verkehrsrecht und Fachanwalt für Versicherungsrecht.

Sie erreichen den Autor unter: kontakt@anwaltschmidl.de

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