Nicht aufklärbare Umstände bei Verkehrsunfall

Das Oberlandesgericht Stuttgart hat entschieden, wie nach einem Verkehrsunfall nicht aufklärbare Umstände zu bewerten und die Beweislast zu verteilen ist (Beschluss vom 05.03.2012 – 13 U 24/12). Grundsätzlich trägt derjenige, der sich auf das Zurücktreten seiner eigenen Betriebsgefahr seines Fahrzeugs hinter dem Verantwortungsanteil des Unfallgegners beruft mit der Folge dessen voller Haftung für die Unfallfolgen, die Beweislast. Das heißt, er muss die Voraussetzungen beweisen, aus denen sich ein schwerwiegender Verkehrsverstoß des Unfallgegners ergibt, der dessen vollständige Einstandspflicht rechtfertigt. In dem zugrunde liegenden Fall verlangte der Kläger von den Beklagten Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall. Der Kläger war mit seinem KFZ nach links in die Zufahrt eines Parkplatzes gefahren, wobei ihn ein ihm aus der Zufahrt entgegenkommendes Fahrzeug am Einfahren hinderte, weshalb er das Abbiegen abbrechen musste. Dabei kam es zur Kollision seines noch auf der Gegenfahrbahn befindenden KFZ und des Wohnmobils der Beklagten, das auf der Gegenrichtung fuhr. Der Kläger hat die Beklagten auf Ersatz des vollen Schadens in Anspruch genommen. Die Beklagten haben Klageabweisung beantragt, da es trotz sofortigen Abbremsens nicht möglich gewesen sei, das Fahrzeug rechtzeitig anzuhalten, weshalb es zum Auffahrunfall gekommen sei. Das Landgericht hat die Beklagten gemäß §§ 7, 17 StVG nach einer Haftungsquote von 20 % verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Die Beklagten haben dagegen Berufung eingelegt und verfolgen den Antrag auf vollständige Klageabweisung weiter. Das OLG hat ausgeführt, dass sich die Beklagten die Betriebsgefahr ihres Fahrzeugs anrechnen lassen müssen und daraus ihre Einstandspflicht folgt. Es habe kein „unabwendbares Ereignis“ vorgelegen. Den Nachweis der Unabwendbarkeit habe derjenige zu führen, der sich auf die Unabwendbarkeit beruft. Ein solcher Nachweis sei nicht erbracht worden. Außerdem sei ein dem Kläger zur Last fallender etwaiger schwerwiegender Verkehrsverstoß, der es rechtfertigen würde, die einfache Betriebsgefahr bei der Abwägung ganz zurücktreten zu lassen, nicht feststellbar. Das OLG hat entschieden: „Stehen also Umstände im Streit, von denen abhängt, ob auf der Seite eines Unfallbeteiligten ein schwerer Verkehrsverstoß vorliegt, hinter den die nicht erhöhte Betriebsgefahr des Unfallgegners ganz zurücktritt, und sind diese Umstände nicht aufklärbar, so geht dies nach den dargelegten Grundsätzen zu Lasten des Unfallgegners mit der Folge, dass vom Bestehen eines solch schweren Verkehrsverstoßes nicht ausgegangen werden kann und ein vollständiges Zurücktreten der einfachen Betriebsgefahr ausscheidet.“ Der Fall zeigt, wie schwierig es ist, Haftungsquoten nach Verkehrsunfällen zu bemessen. Ein versierter Rechtsanwalt kann hierbei entscheidende Hilfe leisten.