MPU-Gutachten und Tilgungsreife von Rauschtaten

Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) hat mit Beschluss vom 30.10.2012 (Az.: OVG 1 B 9/12) entschieden, dass für die Verwertbarkeit eines medizinisch-psychologischen Gutachtens die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Gutachtenanordnung maßgeblich ist. In dem zugrundeliegenden Streit begehrte der Kläger die Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis, die mit Bescheid der Fahrerlaubnisbehörde abgelehnt worden ist, weil das MPU-Gutachten die bestehenden Zweifel an seiner Kraftfahreignung nicht ausgeräumt habe. Dagegen wurde mit Erfolg Klage erhoben. Die Berufung der Behörde beim OVG gegen das Urteil hatte Erfolg. Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Kläger war 1994 wegen Trunkenheit im Straßenverkehr mit einer BAK von 1,88 ‰ verurteilt worden. Nachdem er seinen Führerschein wieder hatte, wurde er 1995 wiederum unter Alkoholeinfluss (BAK 1,16 ‰) erwischt und zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt. 1996 folgte eine Verurteilung auf Bewährung wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in zwei Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit Verkehrsunfallflucht. Im medizinisch-psychologisches Gutachten aus dem Jahr 2009 wurde über den Kläger ausgeführt: „Es ist zu erwarten, dass Herr … zukünftig ein Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss führen wird. (…) Es ist … nicht zu erwarten, dass Herr  …. die körperlichen und geistigen Anforderungen an das sichere Führen eines Kfz der Gruppe 1 und 2 im Straßenverkehr zurzeit erfüllt.“ Problematisch war in diesem Fall die Frage, ob die Behörde bei Anordnung der MPU die alten Rauschfahrten des Klägers überhaupt berücksichtigen durfte. Dies bejahte das OVG, weil die zugehörigen Eintragungen erst Mitte 2011 aus dem Verkehrszentralregister zu tilgen waren. Das OVG stellte klar, dass die nachträgliche Tilgungsreife und das damit einhergehende Verwertungsverbot eines Verkehrsverstoßes die Rechtmäßigkeit der darauf gestützten Gutachtenanordnung nicht wieder entfallen lässt. Hier zeigt sich, dass es bei der Beurteilung von Fahrerlaubnisentziehungen häufig auf komplexe Fristberechnungen ankommt, die eigentlich nur mit Hilfe eines Verkehrsanwalts kontrolliert werden können. panthermedia_01112481