Justitia ist blind, oder: Kein Wiederaufnahmegrund bei Teilnahme eines blinden Richters an einer Inaugenscheinnahme

Findet im Rahmen eines Beschwerdeverfahrens der freiwilligen Ge-
richtsbarkeit eine Inaugenscheinnahme statt, bei welcher ein Mit-
glied des Kollegialorgans blind ist, führt dies nicht zur Nichtig-
keit gem. § 579 Abs.1 Nr.1 ZPO. (Aus den Gründen: …Das LG hat oh-
ne Rechtsfehler keinen Wiederaufnahmegrund i.S.d. § 579 Abs.1 Nr.1
ZPO (analog) darin gesehen, dass an dem Beschluss ein blinder Rich-
ter mitgewirkt hat. Es besteht die Möglichkeit, einem beauftragten
Richter die Augenscheinnahme ohne Einschränkung zu übertragen. Dar-
aus ergibt sich, dass bei einem Kollegialgericht davon ausgegangen
wird, dass der beauftragte Richter den übrigen Kammermitgliedern
das Augenscheinsobjekt so erläutern und beschreiben kann, dass sie
es nicht mit eigenen Augen sehen müssen. In gleicher Weise konnten
auch im vorliegenden Fall die Vorsitzende und der Berichterstatter
dem blinden Kammermitglied sowohl das Eintragungsersuchen als
auch den situativen Zusammenhang beschreiben und erläutern…).

OLG Frankfurt am Main vom 15.2.2010 20 W 34/10

MDR,2010 1015

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verkehrsecht und Arbeitsrecht Jürgen Leister, Heidelberg