Erwerbsschaden kann richterlich geschätzt werden

BGH: Erwerbsschaden kann richterlich geschätzt werden

BGH, Urteil vom 09.11.2010, Az.: VI ZR 300/ 08

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass die für die Beurteilung des Erwerbsschadens erforderliche Prognose der hypothetischen Einkommensentwicklung nach einem Unfall vom Tatrichter nach § 252 S. 2 BGB und § 287 ZPO geschätzt werden kann, soweit der Geschädigte dafür möglichst konkrete Anhaltspunkte vorträgt (BGH, Urteil vom 09.11.2010, Az.: VI ZR 300/ 08).

Der BGH hat insofern ein Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt auf die Revision der Beklagten aufgehoben, als der Klägerin eine monatliche Verdienstausfallrente von € 2.680 ab 01.01.2006 und eine Mehrbedarfsrente von € 173,33 über den 30.09.2025 hinaus abzüglich bereits gezahlter € 42.085 zuerkannt worden sind. Diesbezüglich hat der BGH die Sache zur erneuten Entscheidung, auch über die Verfahrenskosten, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Die Klägerin hatte die Beklagte zu 1 als Haftpflichtversicherer eines Zugfahrzeugs und die Beklagte zu 2 als Tierhalterin auf Ersatz von Verdienstausfallschaden in Anspruch genommen. Die Klägerin half am 30.07.1999 beim Verladen eines Pferds auf einen Anhänger mit Zugfahrzeug. Beim Verladen riss sich das Pferd los und trat der Klägerin in den Bauch. Dabei erlitt sie schwerste Verletzungen, die sie dauerhaft arbeitsunfähig und zur Bezieherin einer Erwerbsunfähigkeitsrente werden ließ. Ihre Klage auf Anerkennung des Unfalls als Arbeitsunfall wurde im sozialgerichtlichen Verfahren abgewiesen.

Die Klägerin begehrte Ersatz ihrer materiellen und immateriellen und Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten. Zum Verdienstausfallschaden hat sie mit Beweisangeboten vorgetragen, dass sie ohne den Unfall bis zum Ende ihres Beschäftigungsverhältnisses ihre beabsichtigte Promotion vollendet und dank ihrer Qualifikation eine sichere Arbeitsstelle im öffentlichen Dienst erlangt hätte, die mindestens nach der Vergütungsgruppe BAT IIa eingruppiert gewesen wäre. Hierdurch hätte sie eine Bruttovergütung von monatlich € 4.550 erzielt, mithin ein Einkommen vor Steuern von € 3.600. Obgleich im Revisionsverfahren vor dem BGH die Haftung der Beklagten nicht mehr im Streit stand, hat dieser ausgeführt, dass die bisherigen Feststellungen die Anerkennung einer Verdienstausfallrente von € 2.680 nicht tragen würden. Die Revision hat die Ausführungen des Berufungsgerichts dazu, dass die Klägerin eine Hilfe für vier Stunden wöchentlich benötige und der Aufwand dafür auf € 173,33 monatlich zu schätzen sei, nicht angegriffen. Da der BGH darauf hingewiesen hat, dass dem Ermessen des Tatrichters zur Schadensschätzung auch Grenzen gesetzt sind, hat dies weitreichende Praxisbedeutung. So darf der Richter sich nicht über Vorbringen des Schädigers, das für die Schadensschätzung relevant ist, hinwegsetzen oder dies ohne den Ausweis eigener Sachkunde und die Hinzuziehung sachverständiger Hilfe als widerlegt bewerten.

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