Die korrekte Ermittlung des Schadensersatzes im Totalschadensfall – Schadensmanagement der Haftpflichtversicherungen Teil II

Bereits seit geraumer Zeit versucht die Versicherungswirtschaft, Regulierungsaufwendungen zu reduzieren mit dem Argument, bei enger Zusammenarbeit zwischen Reparaturbetrieben, Geschädigten und Haftpflichtversicherung würden sich in erheblichen Umfang so genannte Prozess- und Nebenkosten vermeiden lassen, was zu einer deutlichen Reduzierung der Regulierungsaufwendungen insgesamt führen würde.

Der Unfallgeschädigte lässt sich dieses gefallen, solange er nicht umfassend über seine Rechte und Pflichten der Rundum-Sorglos-Angebote der Versicherer informiert wird (>Quelle: Deutscher Anwaltsverein, Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht). Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts sei vor diesem Hintergrund nach Ansicht der Versicherungswirtschaft selbstverständlich nicht mehr notwendig.

Um jedoch auch Privatpersonen eine einigermaßen korrekte Schadensbezifferung im Haftpflichtschadensfall zu ermöglichen, sollen nachfolgend einige Hinweise und Erläuterungen für das Vorgehen im Totalschadensfall gegeben werden, ohne natürlich einen Anspruch auf Vollständigkeit erheben zu wollen. Vielmehr sind Ergänzungen, Hinweise und Kommentare ausdrücklich erwünscht, um auf diese Weise einen gewissen Leidfaden für Geschädigte an die Hand zu geben.

Zu unterscheiden sind zunächst der technische und der wirtschaftliche Totalschaden. Bei einem wirtschaftlichen Totalschaden ist die Instandsetzung der beschädigten Sache unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten unvertretbar. Im Fall des technischen Totalschadens kann beispielsweise das beschädigte Fahrzeug technisch nicht mehr in einen verkehrstauglichen Zustand gebracht werden. In beiden Fällen erfolgt der Schadensersatz nach § 249 BGB.

> Wirtschaftlicher Totalschaden

Von einem wirtschaftlichen Totalschaden spricht man richtigerweise bereits dann, wenn der Kostenersatzanspruch den Wiederbeschaffungswert der unbeschädigten Sache übersteigen würde. Ob jedoch der Wiederbeschaffungswert oder der Wiederbeschaffungsaufwand (Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert) bei der Bewertung des Schadens zu berücksichtigen sind, hängt maßgeblich davon ab, ob der Geschädigte ein schützenswertes Interesse an der Reparatur des Fahrzeugs hat.

Vorliegend soll das Augenmerk jedoch auf den in der Praxis häufigsten Fall des wirtschaftlichen Totalschadens mit anschließenden Verkauf bzw. Inzahlungnahme des Unfallfahrzeugs beim Vertragshändlers liegen.

> Bezifferbarer Sachschaden

Aufgrund der Wirtschaftlichkeitspostulats ist der Geschädigte in diesem Fall auf den Wiederbeschaffungsaufwand (Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert) begrenzt.

Hinweis 1: Rechnen Sie richtig ab!

Der auf den ersten Blick befremdlich wirkende Hinweis ist den bisherigen Erfahrungen unserer Kanzlei geschuldet, nachdem gerade im Zusammenhang mit der MWst. selbst Gerichte fehlerhafte Berechnungen vornehmen.

Nachdem bis zur Vorlage des Kaufvertrags für das anzuschaffende Neufahrzeug einige Zeit verstreichen wird, muss der Schaden gegenüber der gegnerischen Haftpflichtversicherung zunächst als Nettobetrag geltend gemacht werden.

Hierbei ist die Formel „Wiederbeschaffungswert dividiert durch 119 Prozent subtrahiert mit dem Restwert anzuwenden. In einer von unserer Kanzlei vertretenen Rechtssache wurde vom Landgericht (!!!) irrtümlich zunächst der Restwert in Abzug gebracht, bevor der Nettobetrag anhand dieses Betrages bestimmt wurde. Da der gegnerische Prozessbevollmächtigte dieses Versehen nicht bemerkte, konnten auf diese Weise einige hundert Euro Mehrwert für unseren Mandanten auf der Habenseite verzeichnet werden. Dasselbe sollte dem Geschädigten bei einer Abrechung gegenüber der Versicherung nicht passieren.

Hinweis 2: Warten Sie mit der Schadensanzeige!

Bei einer fiktiven Abrechnung auf Totalschadensbasis wird das naturgegebene Interesse des gegnerischen Haftpflichtversicherers vor allem darin bestehen, dem Geschädigten ein günstigeres Restwertangebot zu unterbreiten. Um eine lange gerichtliche Auseinadersetzung an dieser Stelle zu vermeiden, sollte sich der Geschädigte vor der Schadensanzeige bei der gegnerischen Versicherung um einen Weiterverkauf bzw. um eine Inzahlungnahme des Unfallfahrzeugs bemühen. Hierbei lassen sich Kürzungen um mehrere hundert Euro vermeiden.

Hinweis 3: Beachten Sie die Mehrwertsteuersätze im Sachverständigen-Gutachten!

Lediglich im Bereich von Nutzfahrzeugen und gewerblich genutzten Sonderfahrzeugen kann davon ausgegangen werden, dass diese Fahrzeuge nahezu ausschließlich als regelbesteuerte Fahrzeuge am Markt zu finden sind unabhängig vom Fahrzeugalter.

Üblicherweise werden über den Fahrzeughandel, dessen Werte Grundlage der Wiederbeschaffungsermittlung im Totalschadenfall sind, Gebrauchtfahrzeuge als differenzbesteuerte Fahrzeuge gemäß § 25a UstG angeboten. Danach fällt Mehrwertsteuer lediglich an auf die Differenz zwischen dem Händlereinkaufswert und dem Händlerverkaufswert. Unter Berücksichtigung der Handelsspannen, die üblicherweise zwischen 5 Prozent und 15 Prozent liegen, erscheint ein geschätzter Mehrwertsteueranteil von 2,4 Prozent vom Wiederbeschaffungswert bei derartigen Fahrzeugen vertretbar (>Quelle: Richtlinie des BVSK).

Insbesondere nach Einführung des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes zum 01.01.2002 hat der Kfz-Handel daneben Abstand davon genommen, ältere Fahrzeuge – insbesondere Fahrzeuge, die älter als 10 Jahre sind – aufgrund der verschärften Haftungsbedingungen an Privatpersonen zu veräußern. Die Mehrwertsteuerproblematik stellt sich bei derartigen Fahrzeugen daher nicht.

Auch hierzu werden jedoch Angaben im entsprechenden Sachverständigengutachten erfolgen.

Hinweis 4: Beanspruchen Sie eine Kostenpauschale!

Bislang wurde bei Verkehrsunfällen weit überwiegend ohne Nachweis höherer Kosten grundsätzlich eine Auslagenpauschale in Höhe von 25,00 EUR für erstattungsfähig gehalten, vgl. hierzu OLG München, NZV 2006, 261; OLG Karlsruhe, NJW-RR 2010, 96; OLG München DAR 2009, 36.

Kürzungen sollten daher auch nicht mit dem häufigen Argument der notwendigen Vorlage von Belegen hingenommen werden.

Vor diesem Hintergrund sei erneut auf das in diesem Blog bereits dargestellte Urteil des OLG München vom 29.07.2010, Az. 10 W 1789/10 verwiesen, nach dem die notwendige Dauer einer Prüffrist des Versicherers vor der Unfallschadenregulierung mit dem Zugang eines spezifizierten Anspruchsschreiben in Gang gesetzt wird und maximal 4 Wochen beträgt, nach der Lage des Einzelfalls jedoch auch kürzer bemessen sein kann.

Diese wenigen Hinweise für einen kleinen Teilbereich des Haftpflichtschadens verdeutlichen bereits, dass im Zweifel kompetenter Rat durch Rechtsanwälte bei der Unfallschadensregulierung eingeholt werden sollte. Diese Kosten werden gerade auch bei der verzögerten Schadensregulierung als erforderlich und zweckmäßig angesehen und sind daher grundsätzlich – bei einer Unfallverursachung durch den Gegner – von der gegnerischen Haftpflichtversicherung zu tragen. Sollten überdies auch Personenschäden eingetreten sein und daher Schadenspositionen wie Schmerzensgeld, Erwerbsausfall. Haushaltsführungsschaden etc. eine Rolle spielen, kann die Einschaltung eines Verkehrsanwalts nur angeraten werden.