Beweisverwertungsverbot für Videoaufzeichnung in einem Bußgeldverfahren?

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat mit Beschluss vom 20.05.2011 (Az.: 2 BvR 2072/10 eine Verfassungsbeschwerde gegen einen Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt a. M. vom 29.07.2010 (Az.:2 Ss-OWi 527/10) und ein Urteil des Amtsgerichts Friedberg nicht zur Entscheidung angenommen. Mit der Verfassungsbeschwerde sollte die Ablehnung eines Beweisverwertungsverbotes für eine Videoaufzeichnung in einem Bußgeldverfahren wegen Unterschreitens des erforderlichen Abstandes zu einem vorausfahrenden Kfz geklärt werden. Dem Beschwerdeführer wurde auf der Bundesautobahn A 5 gefilmt, als er bei einer Geschwindigkeit von 145 km/h den erforderlichen Abstand unterschritt. Gegen den Beschwerdeführer verhängte das Regierungspräsidium Kassel einen Bußgeldbescheid in Höhe von 100, – EUR und ordnete die Eintragung von zwei Punkten im Verkehrszentralregister an. Seinen hiergegen gerichteten Einspruch erklärte der Beschwerdeführer damit, er sei nicht als Fahrer zu erkennen. Das Amtsgericht verurteilte den Beschwerdeführer zu einer Geldbuße in Höhe von 100, – EUR wegen fahrlässigen Unterschreitens des erforderlichen Abstandes zu einem vorausfahrenden Kfz. Es stehe fest, dass der Abstand nur 30 Meter und somit weniger als 5/10 des halben Tachowertes betragen habe. Bei der Geschwindigkeitsmessung seien mit einer Videokamera verdachtsunabhängige Videoaufnahmen gefertigt und analysiert worden. Der Abstandsverstoß stehe aufgrund der Inaugenscheinnahme des Messvideos fest. Es handele sich zwar bei der verdachtsunabhängigen Überwachung des Straßenverkehrs durch Videoaufnahmen um einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Fahrer, für die es – wie das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung vom 11.08.2009 (Az.: 2 BvR 941/08) bekräftigt habe – derzeit keine Ermächtigungsgrundlage gebe. Es ergebe sich aber aus dem Beweiserhebungsverbot kein Beweisverwertungsverbot. Bei der Abwägung der Güter des informationellen Selbstbestimmungsrechts und der Unversehrtheit von Leib und Leben anderer Verkehrsteilnehmer habe die Unversehrtheit von Leib und Leben Vorrang. Der Beschwerdeführer beantragte die Zulassung der Rechtsbeschwerde. Soweit das Amtsgericht ausführe, dass aus dem Beweiserhebungs- kein Beweisverwertungsverbot folge, sei dies zu beanstanden. Das Oberlandesgericht wies den Zulassungsantrag zurück. Im Hinblick auf die große Bedeutung der Verkehrsüberwachung für die Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs und das Gewicht des Verstoßes stelle sich der geltend gemachte Verfahrensverstoß weder als bewusste Gesetzesverletzung der beteiligten Personen noch als objektiv willkürlich dar. Das OLG schloss sich dem Amtsgericht an, da der aufgezeichnete Lebenssachverhalt kurz sei und die verletzten Belange des Beschwerdeführers hinter die Interessen der Allgemeinheit zurückträten, auch weil die aufgezeichneten Daten nicht den Kernbereich privater Lebensgestaltung des Beschwerdeführers oder dessen Privatsphäre beträfen. Das BVerfG hat die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen und der Verfassungsbeschwerde keine grundsätzliche Bedeutung zukommt. Ferner verletzt die Ablehnung eines Beweisverwertungsverbotes für die ohne Ermächtigungsgrundlage angefertigten Videoaufzeichnungen den Beschwerdeführer nicht in seinem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsgebot. Denn die Rechtswidrigkeit einer Beweiserhebung führt nicht automatisch zu einem Beweisverwertungsverbot. Letzteres ist bei schwerwiegenden oder willkürlichen Verfahrensverstößen gegeben, bei denen die grundrechtlichen Sicherungen systematisch außer acht gelassen worden sind. „Ein absolutes Beweisverwertungsverbot hat das Bundesverfassungsgericht zudem in den Fällen anerkannt, in denen der absolute Kernbereich privater Lebensgestaltung berührt ist.“ Die Verwendung der Videoaufzeichnung zum Beweis des Abstandsverstoßes tangiert nicht den absoluten Kernbereich der privaten Lebensgestaltung oder die Privatsphäre. Die Entscheidung zeigt, dass sich der Verkehrsteilnehmer durch seine Teilnahme am Straßenverkehr selbst der Beobachtung durch andere Verkehrsteilnehmer sowie der Kontrolle seines Verhaltens im Verkehr durch die Polizei aussetzt.

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