Alkoholisierter Fahrer / Mitverschulden Beifahrer / Beweislast

Das OLG Naumburg hat entschieden, dass der Schädiger im Rahmen seines Mitverschuldenseinwandes nicht nur beweisen muss, dass der Beifahrer die Alkoholisierung des Fahrers hätte erkennen können, sondern vielmehr auch, dass der Beifahrer noch Gelegenheit hatte das Fahrzeug zu verlassen.

Wer sich zu einem erkennbar alkoholisierten Fahrer ins Auto setzt und sodann bei einem durch diesen verursachten Unfall einen Körperschaden erfährt, setzt sich einem Mitverschuldensvorwurf bzgl. seiner Ansprüche gegen den Fahrer und dessen KH-Versicherer aus.  Dies ist allgemeiner Konsens. Das Oberlandesgericht Naumburg hatte sich nunmehr mit den Einzelheiten einer anrechenbaren Mithaftung des – ebenfalls alkoholisierten – Beifahrers und der insoweit bestehenden Beweislastverteilung auseinanderzusetzten (Az.: 1 U 72/10).

Das OLG gab der Schadenersatzklage des Sohnes eines bei einem Unfall getöteten Beifahrers statt. Der Sohn hielt dem Fahrer vor, schuldhaft den Tod seines Vaters verursacht zu haben. Dieser machte dagegen geltend, er könne sich an den konkreten Ablauf nicht mehr erinnern und außerdem sei der Getötete das Risiko bewusst eingegangen, so dass ihn ein erhebliches Mitverschulden trifft. Diese Argumentation ließ das Oberlandesgericht so nicht gelten. Zwar sei der Getötete in Kenntnis der Alkoholisierung des Fahrers in das Fahrzeug eingestiegen (um Musik zu hören). Damit kommt zunächst eine Anspruchskürzung wegen Mitverschuldens hinsichtlich der durch den nachfolgenden, alkoholbedingten Unfall erlittenen, erheblichsten Verletzungen in Betracht. Allerdings blieb offen, ob der Getötete in Kenntnis der Alkoholisierung noch Gelegenheit hatte, das Fahrzeug vor Beginn der Fahrt zu verlassen.

Die vorausgegangene Entscheidung des Landgerichts, welches noch zu Lasten des Getöteten eine Kürzung der Ansprüche um ein Drittel vornahm, wurde von daher aufgehoben. Derjenige, der einen derartigen Mitverschuldenseinwand erhebt, muss nicht nur die Kenntnis von der Alkoholisierung im Zeitpunkt des Zusteigens beweisen. Vielmehr muss auch der Beweis geführt werden, dass noch die Möglichkeit bestand, das Fahrzeug vor Fahrtantritt zu verlassen. Nachdem dieser Punkt nicht weiter aufgeklärt werden konnte (der Fahrer konnte sich an den Unfallhergang nicht mehr erinnern, Zeugen gab es nicht), blieben die Haftungsansprüche gegen den Fahrer (und vor allem dessen KH-Versicherer ) ungekürzt. Dies obwohl auch der getötete Beifahrer selbst nicht unerheblich alkoholisiert war. Im Ergebnis wurden damit dessen Erben die Ansprüche in voller Höhe zugesprochen. 

 

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Michael Schmidl, anwaltschmidl.de

Der Autor ist Rechtsanwalt und Gründer der Fachanwaltskanzlei für Versicherungs- und Verkehrsrecht Schmidl. Er ist seit 2005 Fachanwalt für Verkehrsrecht und Fachanwalt für Versicherungsrecht.

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