Abschleppkosten -keine Pflicht des Geschädigten zur Marktforschung

 Nicht genug, dass Geschädigte nach einem Unfall -häufig ohne jede Schuld-  Schäden an ihrem Fahrzeug und Verletzungen zu beklagen haben. Oft wartet auf sie auf dem Weg zu ihrem Recht weiterer unnötiger Ärger mit dem gegnerischen Haftpflichtversicherer, sei es in Fragen des Restwerts des Unfallfahrzeugs, sei es das unberechtigte Drängen des gegnerischen Versicherers auf eine Nachbegutachtung des Unfallwagens, oder aber der Streit um die Erstattung der angefallenen Mietwagenkosten. Nur mit Hilfe der auf dem Gebiet des Verkehrsrechts spezialisierten Anwältinnen und Anwälte ist es i. d. R. möglich, dem gegnerischen Versicherer auf Augenhöhe zu begegnen.

Während letztere Mietwagenproblematik durch die Rechtsprechung mittlerweile geklärt sein dürfte, machte zumindest ein überregional agierender Versicherer jüngst immer wieder Anstalten, Geschädigte an anderer Stelle im Rahmen der Regulierung der Unfallschäden zu schikanieren: bei der Erstattung der Abschleppkosten !

Abschleppkosten sind erstattungsfähige Folgekosten eines Verkehrsunfalls im Sinne des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB. Voraussetzung für ihre Erstattungsfähigkeit ist alleine, dass sie adäquat kausal auf das Unfallgeschehen zurückzuführen sind (BGH v. 23.01.2007, Az. VI ZR 67/06). Dass die Beauftragung eines Abschleppunternehmens zur Beseitigung der Folgen eines Verkehrsunfalls erforderlich ist, steht nicht ernsthaft  im Streit. Der Anspruch eines Geschädigten  auf Erstattung der durch den Verkehrsunfall verursachten Abschleppkosten wäre nur dann (gemäß § 254 BGB) zu reduzieren, wenn er bei der Beauftragung des Abschleppunternehmens gegen die ihm obliegende Schadensminderungspflicht verstoßen hätte.

Nunmehr geht dieser Versicherer her und kürzt die in Schadensfällen von ihm zu regulierenden Abschlepprechnungen mit dem Vorwand, die Rechnungen seien überhöht und nicht in Einklang mit den „Empfehlungen des Bergungs- und Abschleppverbandes„.

Insoweit ist folgendes zu berücksichtigen:

 Es ist  Geschädigten vor der Erteilung des Abschleppauftrages an der Unfallstelle grundsätzlich nicht zuzumuten, Marktforschung zu betreiben und in jedem Fall mehrere Kostenvoranschläge von Abschleppunternehmen einzuholen. Ein Preisvergleich dürfte mangels konkreter Kenntnis der Situation faktisch gar nicht möglich sein, weil keines der in Frage kommenden Abschleppunternehmen vorab in der Lage ist, zu beurteilen, welcher Aufwand betrieben werden muss, um den ihm angetragenen Berge- und Abschleppauftrag auszuführen. Des Weiteren fehlen Tarifübersichten, anhand derer sich ein Geschädigter informieren und Vergleiche anstellen könnte – erst recht sind derartige Übersichten nicht allgemein zugänglich. Die Situation des Geschädigten im Rahmen der notwendigen Inanspruchnahme eines Abschleppunternehmens nach einem Verkehrsunfall ist in keiner Weise vergleichbar mit der Unfallersatzwagenproblematik.

In der Regel sind es auch gar nicht die Geschädigten selbst, die das Abschleppunternehmen beauftragen, vielmehr wird dieses von den zum Unfall hinzugerufenen Polizeibeamten zum Zwecke der Beseitigung der unfallbedingten Störung und Behinderung aus einem Kreis von mehreren  in Frage kommenden Abschleppunternehmen  zur Unfallstelle gerufen, häufig über eine zentrale „Abschleppnotdienstnummer“ , die  den der Anruf  „zufällig“ an irgendein Abschleppunternehmen weiterleitet, welches dann die Unfallstelle anfährt.

 Im Übrigen ist ein  Abschleppunternehmen nie Erfüllungsgehilfe des Geschädigten, dessen etwaiges Verschulden gemäß den §§ 254 Abs. 2 S. 2, 278 BGB dem Geschädigten zugerechnet werden könnte.

 Solange der Geschädigte also als Laie nicht erkennen kann, dass das Abschleppunternehmen seine Gebühren geradezu willkürlich festsetzt, so dass Preis und Leistung in einem auffälligen Missverhältnis zueinander stehen, oder dem Geschädigten selbst ein Auswahlverschulden anzulasten wäre, kann der Geschädigte vom Schädiger den Ausgleich der bezahlten Abschleppkosten oder Freistellung von den Abschleppkosten in vollem Umfang verlangen.

Soweit dieser Versicherer sich auf „Empfehlungen des Bergungs- und Abschleppverbandes“ beruft, ist dies irreführend, ja unseriös:

Richtig ist alleine, dass es einen Verband der Bergungs- und Abschleppunternehmen e.V. gibt. Dieser gab im August 2010 eine Erklärung heraus, in der es im Nachgang zu einer Preis- und Strukturumfrage unter einem Teil seiner Mitglieder ausdrücklich wie folgt hieß: „Die Preisgestaltung im Bergungs-Abschleppgewerbe unterliegt keiner tariflichen und tarifähnlichen Preisbindung. Jeder Unternehmer hat seine Preise entsprechend seinen betriebswirtschaftlichen Gegebenheiten zu kalkulieren und festzusetzen. Preisempfehlungen von Seiten des Berufsverbandes sind kartellrechtlich unzulässig. … Die wiedergegebenen Preise sind keine Preisempfehlungen des VBA.

 Die anderslautenden Versuche dieses Haftpflicht-Versicherers waren demzufolge nicht rechtens, weshalb diese Gesellschaft in einem Fall nach ausführlicher Darlegung der Rechtslage noch außergerichtlich und in einer weiteren Unfallsache nach Zustellung unserer Klage auch die Abschleppkosten voll ausgeglichen hat.

Fazit: …….. nicht Alles gefallen lassen……

zum Autor: Rechtsanwalt Kugel ist Fachanwalt für Verkehrsrecht und  Fachanwalt für Strafrecht und insbesondere auf diesen Gebieten seit mehr als 20 Jahren anwaltlich tätig .

Unverbindliche Nachfragen zur Erstattung der Abschleppkosten oder Ihrer Unfallsache ganz allgemein  senden Sie an Fachanwalt-Verkehrsrecht.Kugel@gmx.de  oder http://www.schadenfix.de/schwaebisch-hall/kanzlei-essersha

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