Verkehrsrecht Saarbrücken: Streit um Aktiv- und Passivlegitimation – Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 02.02.2018 (AZ: 1 O 76/17).

Es kommt des Öfteren vor, dass in Verkehrsunfallklagen die Aktivlegitimation – ist der Kläger berechtigt, die Ansprüche tatsächlich im eigenen Namen geltend zu machen? – bestritten wird und bisweilen auch die Passivlegitimation – haftet diese konkrete Versicherung tatsächlich aufgrund des vorgetragen Unfallereignisses? -, dass aber in einem Verfahren beide Problematiken auftreten, ist die Ausnahme.

1.

In dem diesem Urteil zu Grunde liegenden Fall hatte die beklagte Versicherung einerseits bestritten, dass die Klägerin Eigentümer des Kfz und zur Geltendmachung der Ansprüche berechtigt sei.

Diesseits konnte kein Kaufvertrag o.Ä. vorgelegt werden, was aber nach den Hinweisen des Gerichts auch nicht erforderlich war.

Hierzu hat das Gericht in seinem Urteil völlig zutreffend wie folgt entschieden:

Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Sie hat den ihr obliegenden Beweis dafür erbracht, dass sie zum Zeitpunkt des Schadenereignisses Eigentümerin des im Tatbestand bezeichnenden Fahrzeuges war.

Hier streitet bereits die Vermutung des § 1006 Abs. 1 BGB für die Eigentümerstellung der Klägerin, die zum Zeitpunkt des Unfalls unmittelbare Besitzerin des PKW war. Die gesetzliche Vermutung enthebt die Besitzer im Grundsatz auch von der Darlegungslast, dass und auf welcher Grundlage er oder derjenige, von dem er sein Besitzrecht ableitet, mit dem Besitzerwerb Eigentum erworben hat (Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 08.05.2014 – 4 U 393/11 – 124 – Juris m.w.N.). § 1006 Abs. 1 BGB greift bereits dann, wenn er seinen unmittelbaren Besitz nachweist und die Rechtsbehauptung aufstellt, Eigentümer der Sache zu sein (OLG Saarbrücken, a.a.O. (….) Nach der Rechtsprechung des saarländischen OLG (a.a.O), der das Gericht folgt, ist von diesem materiellen Gehalt der Darlegungs- und Beweislast die Frage zu unterscheiden, unter welchen Voraussetzungen der Besitzer in Anwendung der zu § 138 ZPO entwickelten Grundsätze zur sekundären Darlegungslast (…) gehalten ist, seinerseits zu den Umständen des Eigentumserwerbs vorzutragen. Um einen inneren Widerspruch zum materiellen Inhalt der Beweisvermutung zu vermeiden, überzeugt es nicht, dem Besitzer bereits dann die sekundäre Darlegungslast zu den Umständen seines Eigentumserwerbs aufzuerlegen, wenn der Beweisgegner den Eigentumserwerb schlicht bestreitet (..)

Hier haben sich die Beklagten darauf beschränkt, das Eigentum der Klägerin zu bestreiten. Die Voraussetzungen einer sekundären prozessualen Darlegungslast des Besitzers sind im zur Entscheidung stehenden Sachverhalt aber auch schon deshalb nicht weiter zu vertiefen, nachdem die Klägerin im Rahmen ihrer Anhörung weiteren Sachvortrag zum Erwerb ihres Fahrzeugs gehalten, die auf sie lautenden Unterlagen zur Fahrzeugversicherung (…) und Kraftfahrzeugsteuer (…) vorgelegt hat, dem die Beklagten nicht substantiiert entgegengetreten sind. Die Vermutung des § 1006 BGB, die auch den Eigenbesitz des Besitzers umfasst, ist erst dann widerlegt, wenn die Beklagten beweisen, dass die Klägerin entweder Fremdbesitzerin war oder aber trotz Erwerb zu Eigenbesitz aus anderen Rechtsgründen kein Eigentum erwerben konnte (…). Diesen Beweis haben die Beklagten weder geführt noch angetreten.“

2.

Andererseits wurde – im Übrigen erstmals in dem Verfahren selbst, außergerichtlich war hiervon keine Rede – behauptet, die beklagte Versicherung hafte nicht, weil zum Zeitpunkt der Schadensverursachung eine Doppelversicherung vorgelegen habe und einer anderen Versicherung die älteren Vertragsrechte bzw. -pflichten zustehen würden.

Man habe daher den betreffenden Kfz-Haftpflichtversicherungsvertrag aufgehoben, mithin sei eine andere Versicherung zuständig.

Im Rahmen des sichersten Weges haben wir die andere Versicherung mit verklagt und das Verfahren damit gegen die alte und neue Versicherung geführt.

Auch dieses Vorgehen wurde vom Gericht ausdrücklich gebilligt.

Hierzu hat es wie folgt ausgeführt:

„Neben den Beklagten zu 2 und 3 ist auch die Beklagte zu 1 weiterhin passivlegitimiert.

Ein geschädigter Dritter hat bei Unfällen im Bereich des PflVG einen Direktanspruch nach § 115 Abs. 1 Satz 1 Nummer 1 VVG gegen den Pflichthaftpflichtversicherer. Der Anspruch besteht im Rahmen der Leistungspflicht des Versicherers aus dem Versicherungsverhältnis und, soweit eine Leistungspflicht nicht besteht, im Rahmen des § 117 Abs. 1-4. Er besteht selbst dann, wenn der Versicherer leistungsfrei ist (§ 117 Abs. 1 VVG). Liegt ein Fall der Mehrfachversicherung vor, so zum Beispiel wenn ein Versicherungsnehmer zwei Berufshaftpflichtversicherungen abgeschlossen hat, so haften beide Versicherer gegenüber dem Dritten als Gesamtschuldner (…).

So liegt der Fall hier. Die Beklagte zu 1 teilte mit Schreiben vom 31.05.2017 (…) mit, dass das Fahrzeug des Beklagten zu 2 zum Unfallzeitpunkt nicht mehr bei ihr versichert gewesen sei, sie somit nicht passivlegitimiert sei. (…) Der Versicherungsvertrag bei der Beklagten zu 3 wurde nach Schreiben vom 16.05.2017 (…) bei dieser am 29.11.2012 gestellt und begann am 01.01.2013 zu laufen. Der Versicherungsantrag bei der Beklagten zu 1 wurde am 01.12.2016 gestellt und Versicherungsbeginn mit dem 22.11.2016 angegeben. Damit lag für das betreffende Fahrzeug zum Unfallzeitpunkt eine Doppelversicherung vor. (…) Für die Inanspruchnahme des Versicherers durch den geschädigten Dritten ist zunächst unerheblich, ob der Versicherer gegenüber seinem Versicherungsnehmer oder gegenüber der mitversicherten Person zur Leistung verpflichtet ist. Soweit die Beklagte zu 1 die fehlende Passivlegitimation auf die Beendigung des Versicherungsvertragsverhältnisses stützt, kann sie diesen Umstand gemäß § 117 Abs. 2 VVG Satz 1 und 2 einem Dritten und damit der Klägerin nur dann entgegenhalten, wenn vor dem Zeitpunkt des Schadensereignisses der hierfür zuständigen Stelle die Bestätigung einer entsprechend den Rechtsvorschriften abgeschlossenen neuen Versicherung zugegangen ist. Dies war hier nicht der Fall.

Die Beklagte zu 1 trifft damit zunächst einmal die Nachhaftung nach § 117 Abs. 2 VVG, d.h., obgleich das Versicherungsverhältnis – möglicherweise – nicht mehr besteht, wird der Versicherungsschutz dennoch in Ansehung des Dritten als bestehend fingiert. Ein Umstand, der das Nichtbestehen oder die Beendigung des Versicherungsverhältnisses zur Folge hat, wirkt in Ansehung des Dritten erst mit dem Ablauf eines Monats, nachdem der Versicherer diesen Umstand der hierfür zuständigen Stelle angezeigt hat, hier der Zulassungsbehörde. Der Lauf der Frist beginnt nicht vor Beendigung des Versicherungsverhältnisses. Die Nachhaftung endet im Regelfall erst einen Monat nach ordnungsgemäßer Anzeige bei der zuständigen Stelle. Da die Monatsfrist erst mit Zugang der Anzeige bei der jeweiligen Stelle beginnt, kann der Versicherer sich so lange nicht gegenüber dem Dritten auf das Nichtbestehen bzw. Beendigung des Versicherungsverhältnisses berufen, solange er nicht die Anzeige getätigt hat und ein Monat verstrichen ist. Vortrag der Beklagten zu 1 dazu fehlt. Vorgelegt wurde lediglich ein Schreiben der Beklagten zu 3 an die Beklagte zu 1, in dem sie diese auffordert, ihren Vertrag von Beginn aufzuheben und ihren Versicherungsnehmer, den Beklagten zu 2, davon in Kenntnis zu setzen. Dann wollte die Beklagte zu 3 ihrerseits eine Versicherungsbestätigung an die Zulassungsbehörde übersenden. 14 Tage nach Vertragsaufhebung sollte die Beklagte zu 1 die Zulassungsbehörde davon in Kenntnis setzen, damit zunächst dort die Versicherungsbestätigung der Beklagten zu 3 eingehen konnte. Mit Schreiben vom 24.05.2017 (…) teilte die Beklagte zu 1 der Beklagten zu 3 entsprechenden Vollzug mit und forderte die Beklagte zu 3 nunmehr auf, gegenüber der Zulassungsbehörde eine Versicherungsbestätigung zu übersenden, damit von dort der Beklagte zu 1 gemäß § 24 Abs. 1 FZV bestätigt werden konnte. Dass dies erfolgt ist, ist nicht vorgetragen. Anspruchsmindernde, -vernichtende oder -hemmende Tatsachen hat jedoch der Anspruchsgegner darzulegen und zu beweisen, worauf das Gericht hingewiesen hat (…). Danach ist von der Passivlegitimation der Beklagten zu 1 auszugehen, zumal sich ein auf § 3 PflVG gegründeter Schadensersatzanspruch grundsätzlich nicht gegen ersteren, sondern letzteren Versicherer zu richten hat (BGH Urteil vom 04.04.2000 VI ZR 264/99, BVerwG Urteil vom 10.12.2015,3 C3/15 zit.n.juris).

Insofern wurden sowohl der gegnerische Fahrer als auch die beiden Versicherungen zur Zahlung im Wege der Gesamtschuldnerhaftung verurteilt.

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